Minoggio
Grezesch
Bachmann

Zur Vermeidung von Strafverfolgung erklären, was das Finanzamt schon weiß?

Muss ich Einkünfte erklären, die im Finanzamt bekannt sind? Droht ansonsten der Vorwurf einer Steuerhinterziehung? Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu fehlt erstaunlicherweise – noch. Eine beim Bundesfinanzhof eingereichte Revision gegen ein Urteil des Finanzgerichts Münster könnte demnächst für Klarheit sorgen.

Die Finanzrichter aus Münster (Aktenzeichen: 4 K 135/19; (Link zur Entscheidung: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2022/4_K_135_19_E_Urteil_20220624.html) hatten zuletzt entschieden, dass eine Steuerhinterziehung wegen „In-Unkenntnis-Lassen“ der Finanzbehörden jedenfalls dann ausscheidet, wenn das Finanzamt alle steuerlich erheblichen Umstände bei der Erstellung des Steuerbescheids bekannt sind. Das gelte auch dann, wenn die Höhe der Einkünfte von Anderen übermittelt worden sind; beispielweise Lohndaten vom Arbeitgeber per elektronischer Lohnsteuerbescheinigung. Wenn der Steuerpflichtige bei der Finanzbehörde nicht zum ersten Mal besteuert wird und er keine weiteren Einkünfte hat, scheidet der Verdacht einer Steuerhinterziehung aus. Auch dann, wenn er selbst keine Erklärung über die Einkünfte abgegeben hat. Die Finanzbehörde ist dann nicht „in Unkenntnis“ der Einkünfte des Steuerpflichtigen.

Auf die tatsächliche Kenntnis über diese Einkünfte beim Finanzamt und somit Straffreiheit sollte man sich allerdings im Moment wegen des weiten Interpretationsspielraums des In-Unkenntnis-Lassens (wohl noch) nicht verlassen. Außerhalb des Einflussbereichs des Steuerpflichtigen bleiben darüber hinaus auch interne Vorgänge bei den Finanzbehörden – wie das Zuordnen der elektronisch übermittelten Daten zu dem richtigen Steuerpflichtigen.

Höchstrichterliche Rechtsprechung wird hoffentlich Klarheit bringen. Bis dahin sollte spätestens das Freitextfeld am Ende des Steuererklärungsvordrucks genutzt werden, um eine Erklärung über sämtliche Einkünfte abzugeben. Im Zweifel also lieber zu viel erklären als zu wenig.

FG Münster, Urt. v. 24.06.2022 – 4 K 135/19; Link zur Entscheidung: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2022/4_K_135_19_E_Urteil_20220624.html

Revision anhängig beim BFH: Aktenzeichen: VI R 14/22

Ihre Entscheidung haben die Finanzrichter auch in ihrem PodcaSTeuerrecht (Link: https://www.fg-muenster.nrw.de/behoerde/presse/podcast_steuerrecht/index.php) besprochen.

Bischoff und Minoggio besprechen die Entscheidung auch im Ramen ihrer Entscheidungsbesprechungen für die Zeitschrift Profile, Ausgabe August 2022.