Am 6.3.2025 hat das BMF ein neues Schreiben zu „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Kryptowerte“ veröffentlicht (IV C 1 – S 2256/00042/064/043). Das Schreiben sieht einige Anpassungen und Ergänzungen zu dem BMF-Schreiben vom 10.5.2022 vor und ersetzt dieses.
Die technischen und begrifflichen Erläuterungen in Teil I. des Schreibens wurden überarbeitet und teilweise ergänzt.
Die Änderungen in Bezug auf die materiell-steuerliche Behandlung von Erträgen aus Kryptowerten sind relativ überschaubar. Auch in dem neuen Schreiben nimmt das BMF explizit nicht zur ertragsteuerlichen Behandlung von nicht-fungiblen Kryptowerten (Non-Fungible-Token, NFT) Stellung (Rn. 5). Die im Schreiben vom 10.5.2022 noch vorhandenen Ausführungen zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und zum Lohnsteuerabzug im Zusammenhang mit der Gewährung von Kryptowerten im Rahmen eines Dienstverhältnisses sind nun ausdrücklich vom Anwendungsbereich des BMF-Schreibens ausgenommen.
Komplett neu – jedoch nicht unerwartet – ist ein Teil III. zu Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten. Hierzu gab es bereits den Entwurf eines Ergänzungsschreibens aus Juli 2022, der nun mit einigen Anpassungen in das Schreiben integriert wurde.
Werden Kryptowerte über zentrale Handelsplattformen eines ausländischen Betreibers erworben oder veräußert, so nimmt das BMF einen Auslandssachverhalt und somit eine erweiterte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 AO an (Rn. 89). Die Pflicht zur Beschaffung und Vorhaltung der erforderlichen Beweismittel soll insbesondere den regelmäßigen und vollständigen Abruf der Transaktionsübersichten umfassen. Fehlende Aufzeichnungen und Datenverluste (ausdrücklich genannt werden die Fälle der Insolvenz der Handelsplattform oder eines Hacker-Angriffs) gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Beim Handel über dezentrale Handelsplattformen soll aufgrund der internationalen Verortung von Netzwerkknoten einer Blockchain und der nicht an die Ansässigkeit anknüpfenden Auswahl der Tauschpartner ebenfalls in der Regel ein Auslandssachverhalt i.S.d. § 90 Abs. 2 AO anzunehmen sein.
Das BMF-Schreiben vom 6.3.2025 betont die Bedeutung von (mittels einer Steuersoftware erstellten) Steuerreports (vgl. Rn. 29b), was grundsätzlich zu begrüßen ist. Die steuerlichen (Erklärungs- und Dokumentations-)Pflichten können mithilfe von Steuerreports erfüllt werden, wenn diese ausreichend plausibel sind. Dazu sollen regelmäßig Auszüge der Reporteinstellungen (z.B. angesetzte Kurse und genutzte Verbrauchsfolgeverfahren wie FiFo), sowie Ausführungen zu den zugrundeliegenden ertragsteuerrechtlichen Wertungen erforderlich sein.
Das BMF betont, dass der Finanzbehörde eine Schätzungsbefugnis zusteht, wenn sie die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (Rn. 92). Das soll insbesondere der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige keine ausreichenden Angaben gemacht oder keine ausreichende Aufklärung über seine Angaben gegeben hat. Die Praxis wird zeigen, ob die Finanzbehörden zukünftig jedweden (vermeintlichen) Verstoß gegen die umfangreichen Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten zum Anlass für Schätzungen nehmen werden. Immerhin wird betont, dass eine Schätzung nicht dazu dienen darf, Steuerpflichtige zu sanktionieren.
Das BMF differenziert mit Blick auf die Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten zwischen im Betriebsvermögen und im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten. Insbesondere im Bereich des Betriebsvermögens verlangt das BMF sehr weitgehende Aufzeichnungspflichten. Es sollen die GoBD gelten. Wird zur Erfüllung der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten im Zusammenhang mit Kryptowerten eine spezielle Software genutzt, ist für diese eine Verfahrensdokumentation zu erstellen. Auch eine solche Software soll unter das Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung nach § 147 Abs. 6 AO fallen, wenn und soweit damit Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungspflichten erfüllt werden.
Für im Privatvermögen gehaltene Kryptowerte sind die Anforderungen weniger streng. Der Nachvollziehbarkeit der seitens der Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte durch die Finanzbehörde können insbesondere plausibel erscheinende Steuerreports dienlich sein. Neben Steuerreports können hierzu auch strukturierte Auflistungen oder Tabellen dienen.
Das neue BMF-Schreiben ist ab dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil I auf alle offenen Fälle anzuwenden. Für die Aufzeichnungspflichten bzgl. im Privatvermögen gehaltenen Kryptowerten gibt es eine Nichtbeanstandungsregelung für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2024 (Tz. 106).
Aus dem neuen BMF-Schreiben ergeben sich folgende Konsequenzen für die Praxis:
- Die materiell-rechtlichen Ausführungen sind der konkretisierte Empfängerhorizont der Finanzverwaltung und somit der Maßstab für die Abgabe richtiger Ertragsteuererklärungen. Weicht der Steuerpflichtige von der Auffassung des BMF ab, so hat er dies in seiner Steuererklärung kenntlich zu machen (z.B. in einem Begleitschreiben oder im Freitextfeld auf dem Formular der Steuererklärung). Ansonsten geht er ein steuerstrafrechtliches Risiko ein.
- Durch den neuen Teil III. des BMF-Schreibens ergeben sich erheblich gesteigerte Compliance-Anforderungen, insbesondere für Anleger mit Kryptowerten im Betriebsvermögen. Bei Nichteinhaltung drohen Schätzungen.
- Die Zeiten, in denen die Besteuerung von Gewinnen aus dem Handel mit Kryptowerten für die Finanzbehörden „Neuland“ waren, sind bereits seit längerem vorbei. Dies führt dazu, dass Steuererklärungen sowie steuerliche Berichtigungserklärungen und Selbstanzeigen nicht mehr schlicht „durchgewunken“, sondern einer detaillierten Überprüfung durch das Finanzamt unterzogen werden.
- Das zunehmende technische und materiell-steuerliche Knowhow sowie verbesserte Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden (etwa in Form von Auskunftsersuchen an Plattformbetreiber) führen zu einem gesteigerten Risiko für Anleger, die ihre Gewinne aus dem Handel mit Kryptowerten in der Vergangenheit nicht oder nicht vollständig deklariert haben. Anleger, die an der Vollständigkeit ihrer Steuererklärungen Zweifel haben, sind gut beraten, die Möglichkeit der Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige zu überprüfen oder überprüfen zu lassen.
Dr. Andreas Höpfner