in: Westfälischen Nachrichten vom 13. September 2024 (Beitrag im Zugriff nur für Abonnenten )
Unser Partner Ingo Minoggio wird in dem Beitrag zutreffend zitiert. Seine vollständige Einschätzung zum Thema lesen Sie hier:
12.000 „hängende“ Verfahren bei einer einzigen Staatsanwaltschaft stellen ein ernstes Warnsignal dar und eine Mahnung, die Strafjustiz mit genügend Mitteln auszustatten, damit der Rechtsstaat in der Praxis funktionieren kann.
Ein funktionierender Rechtsstaat ist für jeden Bürger und jede Bürgerin wichtig, auch für Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren. Nur ein sehr geringer Teil der Verfahren (unter 10 %) landet vor Gericht. Viele Beschuldigte erweisen sich entgegen erster Annahme in der Strafanzeige als nicht schuldig oder als nur so gering schuldig, dass ein Verfahren unterbleiben oder schnell eingestellt werden kann.
Jeder Bürger hat völlig unabhängig von Schuld oder Unschuld einen Anspruch, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ihn oder sie nur so gering wie möglich belastet und so schnell wie möglich abgeschlossen wird. Wir Praktiker sprechen davon, dass die „Verfahrensstrafe“ für den Einzelnen in sehr vielen Tagesfällen schwerer wiegt als eine förmliche Verurteilung, selbst wenn es im Ausnahmefall zu einer solchen Verurteilung kommt. Der durch eine Straftat geschädigte Bürger als Anzeigeerstatter verzweifelt zuweilen regelrecht am Rechtsstaat, wenn er nach mehreren Wochen nachfragt und die Antwort erhält, man wisse noch nicht, welcher Staatsanwalt oder welche Staatsanwältin für seine Anzeige zuständig werden wird.
Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie die Behörde scheinen mit nicht genügend finanziellen Mitteln ausgestattet zu sein. Aber der Erledigungsdruck bleibt dort natürlich. Es ist naturgemäß zu erwarten, dass sich dieser Zustand auf die Erledigungspraxis bei den aus Behördensicht etwas weniger wichtigen Verfahren auswirkt. Eine frühe Verfahrenseinstellung spart Zeit. Wir als Anwälte im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht meinen jedenfalls zu bemerken, dass Strafanzeigen von Bürgern oder ihren Anwälten oftmals auch in Fällen nicht erfolgreich sind, die wir als klar strafbar und gewichtig einordnen. Wir haben in den letzten Jahren zunehmend den subjektiven Eindruck, als werde ein Anzeigevorbringen deutlich ernster genommen, wenn es von einer staatlichen Stelle (etwa einer anderen Behörde oder als quasi staatlich einer Insolvenzverwaltung) bei der Staatsanwaltschaft eingereicht wird.
Im Übrigen zeigt sich wieder: Der Erlass neuer Strafgesetze schafft Aufmerksamkeit, scheint momentan sehr populär, kostet praktisch nichts und bringt nicht nur aus unserer Sicht oftmals nichts Gutes. Wer den Rechtsstaat tatsächlich wirksam unterstützen will, muss vielmehr dafür sorgen, dass genügend Mittel für den Vollzug der schon bestehenden Strafgesetze und Strafverfahrensvorschriften bei Wahrung der gebotenen Rechtsstaatlichkeit aufgebracht werden.