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Steuerliche Schätzungsmethode auf dem Prüfstand – Bundesfinanzhof forciert Entscheidung über die Zulässigkeit eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der Rohgewinnaufschlagssätze von Richtsatzsammlungen

Der 10. Senat des  Bundesfinanzhofs (BFH) hat am 14.12.2022 das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zum Verfahrensbeitritt aufgefordert (Beschluss vom 14.12.2022 – X R 19/21, Link zur Entscheidung). Es soll nun grundsätzlich geklärt werden, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Sammlung des BMF zulässig ist.

Eine Entscheidung kann massive Auswirkungen auf die steuerliche und steuerstrafrechtliche Praxis von Betriebsprüfung und Steuerfahndung haben. Es geht um nichts weniger als die Prüfung der Anwendbarkeit und Geeignetheit der Richtsätze aus den Sammlungen als Basis für Hinzuschätzung.  Der BFH stellt damit Grundsätzliches auf den Prüfstand – Plakativ: Sind die Nutzung heutiger Richtsatzsammlungen zulässig?

Die Beschlussbegründung des BFH zeigt, dass die bereits schon länger im Raum stehenden Kritikpunkte ernst genommen werden. Es stellen sich beispielhaft folgende kritische Fragen:

  • Einsehbarkeit in die Berechnungsweise der Richtsätze? Gewichtung der Einzeldaten? Sicherstellung der Repräsentativität der Daten? Ausschluss bestimmter Daten? Berücksichtigungskriterien verschiedener Außenprüfungen?
  • Regionale Einflüsse auf Preise, wie beispielsweise bei den Betriebskosten, die eine bundeseinheitliche Sammlung ausschließen?
  • Einflüsse der Ergebnisse von Rechtsbehelfen gegen Steuerbescheide auf die Richtsatzsammlung?

Eine solche Überprüfung hatte sich in einer vorherigen Entscheidung des BFH bereits abgezeichnet, wonach ein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei, wenn das Finanzgericht auf ein verwaltungsinternes Fachinformationssystem zurückgreift, ohne zuvor die hieraus entnommenen Erkenntnisse dem Kläger zugänglich zu machen (BFH, Beschluss vom 28.05.2020 – X B 12/20).

Es bleibt abzuwarten, wie der BFH entscheidet. Erfreulich ist diese offene Haltung des Gerichts allemal aus Sicht von Steuerpflichtigen, Steuerberatern, Steueranwälten und auch Verteidigern.

Die Entscheidung wurde ausführlich besprochen von unserer Kollegin Frau Dr. Bischoff in der Februarausgabe des Fachmagazins Profile des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe; Startseite | StBV – Steuerberaterverband Westfalen-Lippe e.V.

Lesen Sie die ganze Entscheidung:

Beschluss vom 14.12.2022 – X R 19/21, Link zur Entscheidung: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310056/